



Ich möchte damit all jenen Mut machen, die auch irgendwann einmal mit der Diagnose PDD konfrontiert werden. Die Krankheit ist ernst zu nehmen, und gefährlich, aber sie ist kein Todesurteil, und betroffene Vögel können bei entsprechender Pflege ein ebenso lebenswertes wie glückliches Leben führen.
Als ich im Januar 2007 den Entschluss gefasst hatte, mir Nymphensittiche nach Hause zu holen, habe ich mich zuvor ausgiebig erkundigt auf was bei der Haltung zu achten ist.
Nicht nur der Standort, und die Beschaffenheit der Voliere, sondern auch die Ernährung und die tägliche Abwechslung standen im Fokus. Das nur ein Pärchen in Frage kam, war somit von Beginn an klar. Mein Ziel war es, zu meinem Geburtstag Ende Februar, alles fertig zu haben, um mir an diesem Tag meinen großen Wunsch auch erfüllen zu können.
Es wurde somit die Voliere in Auftrag gegeben und am Wochenende montiert, die Vogellampe wurde installiert, alle gefährlichen Kabel gesichert, giftige oder zweifelhafte Pflanzen ausgelagert, Schlitze verbaut, usw. Ich hatte es geschafft und konnte mir an besagtem Datum meine zwei Lieblinge in der Handlung abholen.
Ich war überglücklich! Alles verlief so wie ich es mir ausgemalt hatte. Der Umzug ins neue Heim verlief ruhig und ohne Zwischenfälle.
Die ersten Wochen waren ein gegenseitiges Beobachten bis irgendwann die Neulinge aktiver wurden und erste Annäherungen nicht mehr in Panik endeten. Ich hatte in dieser Zeit große Unterstützung in einem Nymphensittich Forum, und habe jeden Tag dazugelernt. An eine Krankheit dachte damals noch niemand. Ich hatte eine Erfüllung in meinem neuen Hobby gefunden, und nutzte jede, mir sich bietende Quelle um weitere Informationen, und Anregungen zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren Leopold und Amadeus seit ca. 4 Monaten bei mir. Ich habe mir damals mein erstes WP-Magazin gekauft, in dem ein sehr interessanter Artikel über die Krankheit PDD und einen erkrankten Graupapagei war. Ich las mir diesen Artikel auch durch, aber nicht mit gesteigertem Interesse, so wie es halt ein Außenstehender macht. Damals dachte ich mir auch was für ein Schlag es sein muss, sich als Halter plötzlich mit so einer schweren Krankheit konfrontiert zu sehen. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt niemals gedacht, mich in etwas weniger als einem Monat selbst damit auseinandersetzten zu müssen. Meine Vögel wuchsen mir mit jedem Tag mehr ans Herz, und es war für mich als würden sie schon ewig zu mir gehören. Dann kam das schicksalhafte Wochenende, an dem alles anders werden sollte.
Am Samstag den 8. September 2007, abends, fiel mir bei der täglichen Käfigkontrolle das erste mal veränderter Kot am Volierenboden auf, zwar nur vereinzelt, aber doch vorhanden.
Am Sonntagmorgen galt deshalb auch mein erster Blick in den Käfig, nicht den Vögeln sondern dem Boden, und da sah ich ganz deutlich unter Amadeus`s Schlafplatz eine auffällige Menge besagten Kotes.
Die Menge wirkte normal, aber das war auch schon das einzige. Der Kot bestand ausschließlich aus unverdauten Körnern, mit einem weißen Urinanteil. Die Farbe, welche sonst dunkelbraun/schwarz ist, war gelb.
Ich hatte mich schon beim Kauf der Vögel nach dem nächsten vogelkundigen Tierarzt kundig gemacht, um im Notfall einen Ansprechpartner zu haben. Allerdings hatte ich diesen vorher noch nie benötigt, und es war somit mein erster Kontakt mit seiner Praxis.
Da der 9.September 2007 ein Sonntag war, blieb mir nichts anderes übrig als die Notfallnummer anzurufen und mein Problem zu schildern.
Der Tierarzt war sehr freundlich am Telefon und beruhigte mich, denn Amadeus verhalten zeigte ansonsten keinerlei Auffälligkeiten, er war fidel, sang, flog, balzte, fraß und trank, alles ganz normal. Nur eben sein Kot der war auffällig und das sogar für mich als blutigen Anfänger.
Der Tierarzt meinte ich sollte die Situation weiter beobachten, und wenn sich der Zustand verschlechtert, könne ich als Notfall kommen.
Erstmal war ich beruhigt.
Ungünstig wie es in solchen Situationen immer ist, hatte ich die Woche darauf ein Seminar und war somit von Montag bis Mittwoch nicht zu Hause.
Am Montag habe ich noch schnell Fotos in das Forum gestellt und um Meinungen zur Situation gebeten, dort wurde mir umgehend und dringendst geraten alles zu Unternehmen, Amadeus so schnell wie möglich einem vogelkundigen Tierarzt vorzustellen da der Kot alles andere als ungefährlich aussah.
Ich setzte mich somit sofort noch mal mit der Tierarztpraxis in Verbindung, und schilderte meine Situation und bat darum mit Amadeus als Notfall noch schnell vorbeikommen zu dürfen.
Dazu muss man sagen, dass sich die Tierklinik in Metten befindet und das ist von Straubing, einfache Wegstrecke ca. 36 km entfernt und ich sollte eigentlich zu diesem Zeitpunkt, in zwei Stunden auf den Weg zum Seminarort sein um dort rechtzeitig einzutreffen.
Die Sprechstundenhilfe teilte mir mit, dass eine Vorstellung des Vogels unmöglich sei, da der Doktor komplett belegt ist. Mir wurde schon im Vorfeld, von anderen Vogelhaltern gesagt, dass ich in dieser Praxis immer einen Termin ausmachen muss, da man ansonsten sehr schwierig zu einer Behandlung kommt. Allerdings konnte ich den akuten Zustand beim besten Willen nicht vorhersehen, und Notfall ist in meinen Augen Notfall. Ein vogelkundiger Arzt sollte wissen wie schnell so ein kleiner Organismus in einen kritischen Zustand gerät, wenn der Stoffwechsel nicht ausreichend gewährleistet ist.
Allerdings wurde mir angeboten eine Kotprobe vorbei zu bringen, auf deren Ergebnisse ich warten könne.
Ich also ab nach Hause, alles Notwendige eingepackt, und wie ein blöder nach Metten gerast.
Dort bekam ich den Doktor, wie angekündigt gar nicht zu Gesicht. Die Praxishilfen machten die parasitäre Untersuchung, welche ohne Befund blieb, und teilten mir mit, dass ich die mikrobiologischen Ergebnisse in ca. 3 Tagen erfragen könnte. Als frühest möglicher Termin wurde mir der 18. September 2007 zugeteilt.
Die drei Tage Seminar, waren die Hölle für mich, ich erkundigte mich täglich mehrmals bei meiner Freundin, nach dem Zustand von Amadeus, diese konnte mir glücklicherweise keine negativen Veränderungen mitteilen.
Als ich am Mittwoch wieder zu Hause war, bekam ich im Forum, die Adresse einer Tierärztin mit besten Referenzen aus München. Man riet mir, ihr die Situation zu schildern, und sie um Rat zu fragen. Das tat ich auch umgehend, und sie sagte mir, dass Amadeus`s Situation absolut lebensbedrohlich ist, vor allem in anbetracht der Tatsache dass der Zustand schon seit fünf Tagen vorhält. Sie prophezeite, dass wenn ich Amadeus nicht in den nächsten Tagen in ärztliche Behandlung bekomme, ich ihn nur noch zur Obduktion vorlegen könnte.
Nach diesem Telefonat rief ich direkt im Anschluss die Tierarztpraxis in Metten an und bekniete die Praxishilfe mir einen früheren Termin zu geben, ich berief mich auch auf die Tierärztin aus München um die Dringlichkeit zu unterstreichen. Nach kurzer Rücksprache mit dem Arzt, teilte mir die Praxishilfe lapidar mit: "Na, dann müssen sie eben nach München fahren!". Jetzt war ich erstmal sprachlos! Sofort rief ich wieder die Münchner Ärztin an schilderte ihr mein Gespräch, sofort bekam ich für den nächsten Tag einen Termin bei ihr, sie sagte mir schon am Telefon, dass für sie vor allem eine Megabakterieninfektion oder eben PDD zur Frage stehen.
Donnerstagmorgen machte ich mich gleich in der früh auf den Weg nach Taufkirchen, Leopold nahm ich auch mit, damit Amadeus nicht auch durch die Trennung von ihm zusätzlich gestresst würde. Die Fahrt verlief auch sehr ruhig, wobei ich sowieso zwei so brave Vögel habe.
In der Praxis angekommen, nahm sich die Tierärztin ausgiebig Zeit für mich und meinen Problemfall. Während meines Besuches waren auch keine anderen Patienten bei ihr in der Praxis.
Sie erklärte mir ganz genau worum es sich bei Megabakterien und auch bei PDD handelt, und welche Untersuchungen von ihrer Seite her geplant seien.
Sie fragte mich noch nach einer möglichen Bleivergiftung, da dies für das spätere Röntgen wichtig war. Dies konnte ich aber verneinen, da in dem Zimmer in welchem meine Vögel untergebracht sind garantiert kein Blei vorhanden ist.
Anschließend wurde Amadeus gewogen, er brachte es auf 75 Gramm, einerseits ein sehr geringes Gewicht, allerdings wenn man bedenkt, dass er schon seit knapp einer Woche das Futter nicht mehr ordentlich verwerten konnte, doch noch ein recht gutes Gewicht.
Dann nahm sie eine Kotprobe und untersuchte diese auf Megabakterien, solche konnte sie aber nicht feststellen.
Jetzt bekam Amadeus ein Kontrastmittel in den Kropf, das für die spätere Röntgenaufnahme wichtig war.
Vormittags war ich knapp zwei Stunden bei ihr mit Amadeus in Behandlung. Sie sagte mir, dass sie jetzt noch zu einem Hausbesuch müsse, und ich so gegen 15.00 Uhr wieder zu ihr kommen solle um die weiteren Ergebnisse und die Therapie zu besprechen. Ich war pünktlich zur vereinbarten Uhrzeit wieder bei ihr und sie teilte mir die Ergebnisse der Röntgenbilder mit. Amadeus hatte die Narkose gut überstanden, die Bilder allerdings zeigten einen deutlich erweiterten Drüsenmagen. Da sie wie schon gesagt, keine Megabakterien finden konnte, mussten wir davon ausgehen das es sich um PDD handeln muss. Leider ist ein definitiver Nachweis dieser Krankheit nur durch eine Gewebeprobe möglich und kann bei lebenden Tieren fast nur im Ausschlussverfahren diagnostiziert werden. Der Therapieplan sah eine konsequente Futterumstellung, von der üblichen Körnermischung auf ein geeignetes Pelletalleinfutter vor. Zusätzlich musste ich ihm einmal täglich ein entzündungshemmendes Mittel (Celebrex-lösung) und zweimal täglich ein Anti-Pilzmittel (Amphomoronal) mit einer kleinen Spritze (ohne Nadel) in den Schnabel eingeben. Außerdem musste das Gewicht sehr genau beobachtet werden, da es jetzt vor allem darauf ankam Gewicht zu zulegen. Zuletzt zeigte sie mir noch an Leopold, wie ich Amadeus am schonendsten Einfangen kann und ihn halten muss, um ihm seine Medikamente vernünftig geben zu können.

Leopold außen, Amadeus innen.
Die folgenden vier Wochen waren nervenaufreibend. Ich hatte das große Glück, dass beide Vögel das neue Futter sofort annahmen. Dies war die größte Gefahr, denn Nymphies sind im Allgemeinen sehr wählerisch was das Futter angeht, und brauchen im Normalfall ewig, bis etwas Neues angenommen wird. Aber meine haben anstaltslos sofort die Pellets gefressen. Auch die Medikamenteneingabe gestaltete sich Anfangs schwierig, ich bekam aber innerhalb kürzester Zeit so eine Routine, dass dies auch kein Problem mehr darstellte. Die folgenden Wochen ging das Gewicht von Amadeus langsam aber kontinuierlich nach oben.
Heute hat er ein Gewicht von konstanten 83 Gramm. Er braucht keine Medikamente mehr und ist ein aufgeweckter kleiner Kerl, der mich jeden Tag aufs Neue mit seiner Lebensfreude verzaubert.
Wir sind uns seitdem näher als jemals zuvor und haben ein ganz besonderes Verhältnis zueinander.
Die Tierärztin stellte mir in Aussicht, wenn keine unvorhergesehenen Krankheiten auftreten, hat er eine ganz normale Lebenserwartung.
Ich möchte damit all jenen Mut machen, die auch irgendwann einmal mit der Diagnose PDD konfrontiert werden. Die Krankheit ist ernst zu nehmen, und gefährlich, aber sie ist kein Todesurteil, und betroffene Vögel können bei entsprechender Pflege ein ebenso lebenswertes wie glückliches Leben führen. Ich hoffe, dass ich ihn noch möglichst lange bei mir haben kann und freue mich darauf was die Zukunft bringt!
Dieser Zustand hielt bis Anfang Mitte/Ende Februar 08. Auf den Tag genau ein Jahr nachdem sie bei mir eingezogen waren, verbrachte ich wieder einen ganzen Tag bei meiner Tierärztin. Der Grund hierfür war eine Polyurie von Amadeus und ein massiver Gewichtsverlust von den bis dahin stabilen 86 Gramm auf 75 Gramm.
An diesem Tag wurde er mal wieder von oben bis unten durchgecheckt. Angefangen bei einer Kotuntersuchung auf Viren, welche negativ war, bis hin zu einer umfangreiche Blutanalyse mit Blutauszählung. Ebenfalls gemacht wurde eine Zinkwertsbestimmung.
Die Ergebnisse waren nicht gut. Es war ein junges regeneratives Blutbild ersichtlich, das bedeutet die Zusammensetzung des Blutes ungewöhnlich viele neue Blutzellen auf, was entweder einen größeren Blutverlust in der Vergangenheit (innerlich oder äußerlich) voraussetzt, oder aber auch Hinweis auf einen Entzündungsherd in einem der Organe zur Ursache haben konnte.
Die Zinkwertbestimmung brachte auch stark erhöhte Werte zu Tage.
Daraufhin wurde die Voliere innerhalb kürzester Zeit komplett auf Edelstahlgitter umgerüstet. Ins Wasser
wurde jetzt täglich ein Proteinpräparat (Amynin) gegeben und das Gewicht wurde täglich kontrolliert.
Es setzte eine kurze Phase der Erholung ein und er nahm wieder auf 83 Gramm zu.
Dann in der ersten Aprilwoche der nächste Schock, Amadeus fing an Körner zu würgen. Den Weg zu meiner
Tierärztin find ich mittlerweile im Schlaf, diesmal blieb er eine Nacht zur Beobachtung. Er wurde von
ihr Gefüttert, da er nicht selbstständig gefressen hatte. Außerdem wurde ein Antibiotikum gespritzt.
Die Krankheit hatte wohl auch die Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen, und
dies war dann auch der Auslöser für das Körnerwürgen.
Nachdem mir die Tierärztin nach weiteren Telefonaten ankündigte, dass ich wohl bald dazu gezwungen
sein werde einen Tierarzt in Straubing aufsuchen zu müssen um ihn einschläfern zu lassen.
Glücklicherweise, direkt nach dem Telefonat stabilisierte sich der Zustand und Amadeus hörte auf Körner zu würgen und hielt sein Gewicht von 76 Gramm.
Im Laufe der Zeit zogen Sissi, Sophia und Polly bei uns ein. Das alles machte Amadeus sichtlich Freude. Er lebte auch mehrfach mit Sophia sein Sexualleben aus.
Anfang September fiel mir wieder auf das Amadeus keinen sehr fitten Eindruck machte.
Ich wog ihn aber das Gewicht war in Ordnung. Am 3. September abends, ich kam gerade von der Arbeit nach
Hause, sah ich das Amadeus am Ende seiner Kräfte war. Er konnte auch das Pelletfutter nicht mehr
verwerten. Beim wiegen hatte er nur noch 61 Gramm.
Ich wusste jetzt ist ihm nicht mehr zu helfen.
Nachmittags hatte ich nach Rücksprache mit der Tierärztin noch Antibiotika besorgt und sie wollte
mir ein Schmerzmittel schicken.
Ich rief sie an und teilte ihr mit, das dies nicht mehr notwendig sei, da Amadeus im Begriff ist zu
sterben und wohl ein Eintreffen der Medizin nicht mehr erleben würde und auch eine Behandlung
keinen Sinn mehr macht.
Wir hielten ihn abwechselnd in den Händen und verabschiedeten uns ausgiebig von ihm. Dann setzten wir ihn zurück zu den anderen in den Käfig.
In der Nacht erlosch sein Lebenslicht.
Amadeus wurde von uns im Garten beerdigt und wird dort nun immer sein Grab haben.

