



Am 20.12.2006 zog Nanda bei uns ein. Nanda wurde von einem Forenmitglied zusammen mit ihrer 11köpfigen Familie aus einem dunklen Schuppen befreit. Die Vögel lebten dort in völliger Dunkelheit und waren halb verhungert. Nanda und ihr Brüderchen Milano waren die beiden jüngsten und sichtbar am stärksten mitgenommenen. Milano fehlten einige Zehen und er war so schwach, dass er sich nicht mal auf der Stange halten konnte. Nanda konnte letzteres zwar, hatte aber ein gebrochenes Bein, welches durch die fehlende Behandlung schief zusammengewachsen war. Es stand komplett nach außen ab, so dass Nanda nur auf ihrem Gelenk laufen bzw. humpeln konnte.
Als sie zu uns kam hatte ich zuerst schon ein wenig Sorge, ob sie überhaupt klarkommen würde. Da aber bereits vorher ein einbeiniger Nymphenhahn bei uns gelebt hat (der leider verstorben ist) war unsere Voliere bereits behindertengerecht eingerichtet. Nanda fand sich auch sehr schnell zurecht und wickelte bald sowohl uns Menschen als auch die anderen Nymphies mit ihrem unwiderstehlichen Charme um die Kralle. Nachdem sie sich ein wenig eingelebt hatte, fuhr ich mit ihr zum Tierarzt um sie röntgen zu lassen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war gar nicht klar, ob es sich tatsächlich um einen Beinbruch handelte, oder ob es eventuell doch Rachitis war. Auf dem Röntgenbild war dann sehr deutlich zu erkennen, dass es sich um einen schief zusammengewachsenen Bruch handelte.

Dort wo das Röntgenbild angefertigt wurde, gab es aber keine vogelkundigen Tierärzte (Ich ließ es in einer Kleintierklinik bei uns vor Ort anfertigen). Man riet mir, die Kleine lieber in Ruhe zu lassen, solange sie gut mit ihrer Behinderung klar käme. Diese Ansicht vertrat ich zunächst auch, denn Nanda kam sehr gut klar. Ich dachte mir, sie hat genug gelitten, warum soll ich ihr jetzt auch noch die Strapaze einer komplizierten Operation zumuten? Der nächste vogelkundige Tierarzt war 80km entfernt von mir - also wäre allein die Fahrt eine Strapaze für Nanda.
In den nächsten Wochen machte ich mir sehr viele Gedanken, las verschiedene Berichte über
Beinoperationen bei Vögeln und machte mir vor allem Sorgen um Nandas gesundes Bein. Denn durch die
Fehl- und Überbelastung war es bereits sehr schief und wies am Gelenk bereits eine kleine Druckstelle
auf. Ich fragte mich, wie Nanda wohl damit alt werden sollte. Denn wenn schon jetzt nach so kurzer
Zeit (sie war ja höchstens ein halbes Jahr alt) die ersten Folgen der Fehlbelastung zu sehen waren,
wie sollte das dann erst in zwei oder drei Jahren aussehen? Somit begann ich nun doch über eine
Operation nachzudenken. Das einzige Problem war: ich brauchte einen guten Tierarzt. Es sollte
jemand sein, dem ich 100% vertrauen konnte und der sein Werk versteht. Zufällig bekam ich diesen
Tierarzt von einer Freundin empfohlen und er war nur 35km entfernt von mir! Ich fuhr zunächst
mit einem sehr kranken Nymphensittich meiner Tante zu diesem Tierarzt. Ich stellte fest, dass dieser Tierarzt
wirklich ein ganz Besonderer war... ein Facharzt für Vögel mit einem ganz besonderen Humor. Und vor
allem mit einem unglaublichen Ausmaß an Erfahrungen. Nachdem ich ihm Nandas Fall geschildert hatte,
erklärte er mir, das sei überhaupt kein Problem - er könne den Vogel operieren. Ich sollte ihm nur
unbedingt das Röntgenbild mitbringen.
Gesagt - getan! Der Tierarzt bekam sein Röntgenbild und wir bekamen unseren OP-Termin
am 09.02.2007 um 12:00 Uhr.
Vor diesem Tag hatte ich sehr große Angst. Der Tierarzt riet mir einen Käfig zu besorgen, der es Nanda
nicht ermöglichen würde, zu klettern. Denn nach der OP durfte sie das Bein nicht belasten und
vor allem die Kletterei wäre sehr schädlich für die Heilung des Beins. Nanda musste also nach
der OP in Isolationshaft - zu ihrem eigenen Schutz. Diese Sache bereitete mir besondere
Kopfschmerzen. Schließlich war es Nanda gewohnt bei den Anderen zu sein und liebte ihre Freiheit
über alles. Sie ist hier eine der besten Flieger und das vor allem auch mit großer Begeisterung.
Und nun sollte ich sie für eine Zeit von etwa zwei Wochen alleine in einem Käfig halten, wo sie doch
nur die große Voliere mit der Gesellschaft von sechs anderen Nymphies und täglich Freiflug kannte.
Aber natürlich wusste ich, dass es nicht anders ging. Dennoch war ich sehr in Sorge, dass gerade
diese Tatsache Nanda am meisten zu schaffen machen würde.
Ich besorgte einen Hamsterkäfig. Dieser bestand unten aus einer Plastikwanne auf die ein Oberteil aus
Plexiglas gesetzt wurde. Nur das Dach bestand aus einem Käfiggitter, das man öffnen konnte. Somit
konnte Nanda nicht im Käfig herum klettern, aber wenigstens ihre Artgenossen sehen.

Und dann war der große Tag da. Wir fuhren zum Tierarzt. Es war das erste Mal, dass er Nanda überhaupt sah, vorher hatten wir alles anhand der Röntgenbilder abgeklärt. Er war sehr begeistert von der kleinen Maus, andererseits aber doch irritiert, als er ihr Bein sah. Er betrachtete es sehr lange und sagte immer wieder "hmmmmm... oje.... hmmmmmmmmmmmm". Als ich ihn fragte, was denn los sei, erklärte er mir, dass der Eingriff doch komplizierter sei, als er anhand der Röntgenbilder angenommen hatte. Denn der Bruch befand sich fast direkt im Gelenk und das Gelenk selber hatte sich aufgrund einer Entzündung (die wahrscheinlich nach dem Bruch aufgetreten war) ein wenig in seiner Masse aufgelöst. Dennoch versicherte mir der Tierarzt, dass er das Bein operieren könne und dass es auf jeden Fall eine Besserung für Nanda wäre. Denn wenn wir die OP nicht machen würden, hätte Nanda mit großer Wahrscheinlichkeit in zwei bis drei Jahren durch die Überbelastung schwere Gelenkprobleme in ihrem gesunden Bein. Dann könnte man nichts mehr für sie tun, außer sie von ihren Schmerzen zu erlösen. Da der Tierarzt und ich uns einig waren, dass Nanda noch ein langes Leben haben soll, habe ich mich für die OP entschieden. Ich ließ Nanda also bei ihm zurück. Er sagte mir, ich solle um 17:00 Uhr wieder anrufen, dann könne er mir sagen, ob ich sie mit nach Hause nehmen darf oder ob er sie lieber zur Beobachtung dort behält. Ich verließ also die Praxis und war den Tränen nahe. Es war so ein schlimmes Gefühl die Kleine allein zurück zulassen und sie womöglich nicht wiederzusehen, falls etwas bei der OP schief laufen sollte.
Um 17 Uhr erhielt ich dann endlich die erlösende Nachricht: ich durfte Nanda abholen! Sie hatte
alles gut überstanden, war schon wieder wach, aber noch ein wenig verwirrt. Als ich ankam sah Nanda
in der Tat ziemlich durcheinander aus, machte aber schon wieder einen relativ munteren Eindruck.
Der Tierarzt hatte ihr Beinchen mit einem sogenannten Schmetterlingspflaster verarztet. Das sind
zwei Pflaster, die mit überstehenden Enden jeweils am Bein zusammengeklebt werden. Er erklärte mir,
dass die OP doch schwieriger gewesen sei als erwartet. Um das Bein überhaupt wieder gerade zu
bekommen, hatte er ein dreieckiges Stück aus dem Knochen gesägt, um anschließend diese künstliche
Bruchstelle wieder zusammenzusetzen und zu nageln. Dies erklärte er mir anhand einer Skizze (siehe rechts)
um es mir zu verdeutlichen.
Nanda hat zusätzlich noch ein Antibiotikum gespritzt bekommen, ansonsten bekam sie keine weiteren Medikamente um ihren Organismus nicht noch mehr zu schwächen. Da der OP-Termin an einem Freitag war, sollten wir am Montag zur Kontrolle wiederkommen. Übers Wochenende war Nanda noch ziemlich von der Rolle. Trotzdem schaffte sie es, ihr Schmetterlingspflaster beinahe komplett zu zerlegen. Vier Wochen lang musste Nanda dieses Pflaster tragen und in dieser Zeit auch in ihrer Isolierhaft bleiben. In dieser Zeit wurden mein Mann und ich wahre Meister beim Verbandswechsel, da Nanda es immer wieder schaffte, ihr Pflaster innerhalb von 2 Tagen völlig zu zerstören. Das durfte natürlich nicht sein, da die Gefahr bestand, dass sie sich den Nagel, der in ihrem Bein steckte und ein kleines Stück herausschaute, selber zog. Sie wäre womöglich auch an die Wunde gegangen und hätte diese aufgebissen.
In diesen vier Wochen waren wir einmal wöchentlich zur Kontrolle beim Tierarzt. Er war sehr zufrieden mit Nandas Zustand. Sie fraß etwas weniger als sonst, aber nicht besorgniserregend und sie langweilte sich ohne Ende in ihrem Hamsterkäfig. Dennoch war sie putzmunter und machte keineswegs den Eindruck, als hätte sie gerade einen derart schwierigen Eingriff hinter sich. Nach vier Wochen zog der Doc dann den Nagel. Hierbei zeigte sich auch deutlich, wie gut Nandas Wundheilung funktionierte. Der Nagel war komplett eingewachsen, so dass der Tierarzt Nanda nochmal in Narkose legen musste um ihn zu ziehen. Nach der Ziehung des Nagels gab es ein neues Problem. Dadurch, dass Nandas Bein vorher "um die Kurve" ging, waren ihre Sehnen nun zu lang. Sie war nicht in der Lage ihre Zehen zu bewegen, so dass diese schlaff herabhingen. Sie trat auf die nach hinten verkrümmten Zehen auf. Um dem entgegenzuwirken wickelte der Tierarzt Nandas Zehen nach der Ziehung des Nagels so in Tape ein, dass sie gerade bleiben mussten. Er nannte dies ein "Paddel" und verordnete, dass Nanda dieses Paddel für zwei Wochen tragen sollte. Danach sollten wir es entfernen. Sollten die Zehen sich weriter nach hinten verbiegen, sollte ein neues Paddel für weitere zwei Wochen angelegt werden.
Nachdem wir dann nach zwei Wochen das Pflaster entfernten, war die Freude groß. Die Zehen blieben in einer geraden Position. Nanda schien selber kaum begreifen zu können, dass das nun ihr Bein ist. Immer wieder hob sie ihr Füßchen hoch und begutachtete es von allen Seiten und biss auch mal probeweise hinein. Ich bin nicht dafür, einen Vogel zu vermenschlichen, aber es war eindeutig, dass Nanda selber erstaunt darüber war, wie ihr Beinchen jetzt aussah. Natürlich ist das Bein nicht vollständig funktionstüchtig, es wird immer ein wenig steif bleiben und greifen kann Nanda nach wie vor nicht, aber sie hat nun zwei gerade Beine, die sie gleichmäßig belasten kann.
Auf dem oberen Bild sieht man den Nagel, der in Nandas Bein steckte. Zum Größenvergleich habe ich einen Lippenstift daneben gelegt. Das untere Bild ist kurz nach Entfernung des Paddels entstanden. Nanda sitzt noch etwas schief und das Bein ist angeschwollen.
Seitdem Nanda nun alles überstanden hat, scheint sie noch lebensfroher und fröhlicher zu sein als je zuvor. Außerdem ist sie erstaunlich zahm geworden, obwohl ich eher erwartet hätte, dass sie uns das ständige Greifen und verarzten übelnimmt. Sie scheint zu wissen, dass wir es nur gut gemeint haben mit ihr... ;-)
Zum Abschluss noch ein Bild ihrer Füße acht Wochen nach der Operation. Sie belastet beide Beine und sitzt gerade.
